Existenz bedrohende Krise der Gesamtpartei schlägt in NRW voll durch

Erklärung der Sozialistischen Linken NRW zum Ausgang der Landtagswahl:

Nach Saarland und Schleswig-Holstein hat DIE LINKE auch in NRW ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl eingefahren. Mit 2,1 Prozent hat sie sogar das Ergebnis der WASG von 2,2 Prozent aus dem Jahre 2005 unterschritten und ist somit zur Kleinpartei degradiert – mit weitreichenden negativen Folgen für die finanzielle Ausstattung des Landesverbandes (bis hin zum Kommunalpolitischen Forum).

Das Ergebnis reiht sich ein in eine Serie von Wahlniederlagen, die seit dem historisch schlechten Ergebnis bei der Europawahl 2019 anhält. Begleitet von zahlreichen innerparteilichen Auseinandersetzungen auf offener Bühne stand der strukturell und organisatorisch gut geführte Wahlkampf unter keinem guten Stern. Gegen einen über Jahre anhaltenden Abwärtstrend auf Bundesebene ist auch eine gute Kampagne vor Ort machtlos.
Es ist offenkundig: Die Serie von Wahlniederlagen ist zu einer existenzbedrohenden Krise der Gesamtpartei herangewachsen, die wir nur mit einer Kraftanstrengung als Gesamtpartei solidarisch lösen können.

Mit diesem Diskussionsbeitrag wollen wir als Sozialistische Linke NRW zu einem dringend notwendigen strategischen Klärungsprozess beitragen, um als Partei wieder Fuß zu fassen. Eins ist jedenfalls klar: Die kommenden Monate werden darüber entscheiden, ob überhaupt noch eine Chance besteht, als politische Kraft zu überleben.

Krise der politischen Repräsentanz

„Die Armen haben nicht zu Unrecht das Gefühl, dass ihre Interessen bei den politisch Verantwortlichen nicht mehr vorkämen. Die Wahlabstinenz bei der NRW-Wahl korreliert sehr stark mit einer prekären Existenz. Ihnen wird das Gefühl gegeben, nicht mehr zur Gesellschaft zu gehören.“ (Christoph Butterwegge)

Die Wahlbeteiligung ist mit 55,5 Prozent der bisher niedrigste Wert bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Die Zahlen ergeben hier ein eindeutiges Bild: Je höher die Arbeitslosigkeit in einer Region und je geringer Einkommen oder Bildungsgrad, desto geringer die Wahlbeteiligung. Offensichtlich schwindet die Hoffnung, dass sich die eigene soziale Situation parlamentarisch (in Folge von Wahlbeteiligung) zum Besseren wenden könnte. Das führt zu einer sozialen Schieflage. Die Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Wahl ist zu einer Klassenfrage geworden – auch und gerade in NRW.

Viel zu viele Menschen verbinden zudem ihre Hoffnung auf soziale Verbesserungen auch nicht mehr mit der LINKEN. Auch hier setzt sich eine Tendenz fort, die in den zurückliegenden Wahlen spätestens seit 2019 festzustellen ist: Immer weniger Wähler:innen mit geringem Einkommen oder geringer Bildung verbinden mit der LINKEN die Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Es ist uns folglich auch nicht gelungen, diese bei der Landtagswahl für uns zu gewinnen, obwohl DIE LINKE sowohl programmatisch als auch von der Kampagne her den Schwerpunkt auf eine Verbesserung ihrer konkreten Lebenssituation gesetzt hat.

Das geht damit einher, dass wir in Kernbereichen linker Politik zwischen 2017 und 2021 massiv an Zustimmung verloren haben, was zur Folge hat, dass unsere Zustimmungswerte bei Gewerkschaftsmitgliedern und Lohnabhängigen deutlich sinken. Diesen Verlust konnte DIE LINKE nicht durch neue Wählergruppen kompensieren, was ein erklärtes Ziel des Bundesvorstandes war und nach wie vor ist. Es bleibt festzuhalten, dass die Strategie, die akademisch-urbanen Milieus zu adressieren, um den Verlust bei den traditionellen Wählern der LINKEN zu kompensieren, endgültig gescheitert ist und korrigiert werden sollte.

Für eine plurale LINKE

In den letzten Jahren ist bis in Kreisverbände hinein, eine „Kultur“ innerparteilicher Streitsucht und Verleumdung entstanden: Verletzung von Vertraulichkeit, die Verbreitung von Unwahrheiten über andere, Weitergabe von Interna an Medien. Das wird von politischen Gegnern und Medien dankbar aufgegriffen. In einem selbst-zerstörerischen Klima kann niemand einen erfolgreichen Wahlkampf führen! Den innerparteilich selbst-zerstörerischen Kräften sind klare Grenzen zu setzen. Um wieder zu einer auch parlamentarisch relevanten Kraft zu werden, brauchen wir inhaltliche Klarheit. Wir brauchen ein klares und zuverlässiges Bild, wofür DIE LINKE steht.

Zugleich müssen wir die Vielfalt innerhalb der LINKEN als Stärke begreifen. DIE LINKE muss eine plurale Partei bleiben. Statt „Meinungskorridore“ und Sanktionen für „Abweichler“, wie Teile des Bundesvorstandes fordern, brauchen wir dringend die konstruktive Zusammenarbeit aller in unserer Partei! Wir wollen auf keinen Genossen und keine Genossin verzichten. Für die Zukunftsfähigkeit unserer LINKEN Partei im Sinne sozialer Gerechtigkeit müssen wir unsere noch vorhandenen Strukturen stärken. Im Vordergrund steht oft die Mitarbeit in zahlreichen Initiativen. Die kommunale Verankerung mit fast 500 Mandaten in NRW ist nach wie vor relevant. Ebenfalls sollten wir die Verankerung in Betrieben (derzeit rd. 300 Betriebs-/Personal-Räte) und in den Gewerkschaften weiter ausbauen.

Raus aus der linken Blase – das tun worauf es ankommt

So wie bisher kann es mit der LINKEN nicht weitergehen. Der bisherige Kurs der Partei ist offenkundig gescheitert und bedarf einer Korrektur. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass eine Fokussierung auf die sozialen Bewegungen ohne gleichzeitige Verankerung bei den Lohnabhängigen und denen, die in prekären Verhältnissen leben, eine Sackgasse ist. Deutlich wurde das u.a. auch dadurch, dass die Platzierung von Vertreterinnen und Vertretern aus sozialen Bewegungen auf prominenten Listenplätzen nicht den erhofften Erfolg gebracht hat. DIE LINKE muss stattdessen wieder dort stärker verankert sein, wo die Menschen leben und arbeiten.

Wir stehen an einem Scheideweg. DIE LINKE ist seit Jahren im Krisenmodus. Gelingt es nicht, dies zu überwinden, droht unsere Partei in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Das desaströse Ergebnis im bevölkerungsreichsten Bundesland sollte uns eine letzte Warnung sein. Wir brauchen eine Kurskorrektur.

Insbesondere vom Bundesparteitag erwarten wir eine personelle und inhaltliche Neuausrichtung. Für sozialen Ausgleich und Frieden, für die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, für die Arbeitenden, die Familien, die Rentnerinnen und Rentner und die sozial Benachteiligten.

Gehen wir es an!