Unsere Partei steht in der schwierigsten Situation ihrer jungen Geschichte. Manche sagen, wir stehen am Scheideweg. Wenn es keine grundlegende Rückbesinnung auf unser soziales Profil und den innerparteilichen Pluralismus gibt, droht DIE LINKE auseinanderzubrechen.
Seit 2019 haben wir nahezu alle Wahlen mit historischen Tiefstwerten verloren. Gleichwohl verweigert der alte wie der neue Parteivorstand konsequent die Aufarbeitung der politischen und strategischen Ursachen. Der fast einstimmig gefasste Beschluss des Bundesausschusses, der eine unabhängige Studie zu der Frage einforderte, warum die Menschen unsere Partei nicht mehr wählen, wird nicht umgesetzt. Wer die Ursachen von Problemen nicht aufarbeitet, ist nicht in der Lage, sie zu lösen. Die Konsequenz ist, dass unsere Partei in einer existenziellen Krise steckt und droht, in Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Dem verheerenden Bundestrend kann sich die Landespartei in NRW nicht entziehen, wie die Landtagswahl vom Mai dieses Jahres gezeigt hat. Auch die engagierteste Parteibasis in den Kreisverbänden kann nicht erfolgreich sein, wenn selbst von Mitgliedern des Parteivorstandes und von Abgeordneten im Bundestag der Parteispaltung das Wort geredet wird und Unterschriften gegen Genossinnen und Genossen gesammelt werden (siehe zuletzt: www.jungewelt.de/artikel/436676.niedergang-der-linkspartei-ende-der-koexistenz.html?fbclid=IwAR2WmvQChdOP_EN3Hg2cB8WCwP9728XITtJicGLsR9PgyDThuoXJfFkw744).
Wir erleben eine selbstzerstörerische Streitkultur. Mediale Denunziation und öffentliche Vorverurteilung werden zum Instrument der innerparteilichen Auseinandersetzung. Dabei werden sogar rechtsstaatliche Prinzipien, für die eine demokratische Partei stehen sollte, über Bord geworfen, wenn es im sog. P13-Beschluss des letzten Parteitages wörtlich heißt: „Die Unschuldsvermutung ist ein hohes Gut, diese darf nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Betroffenen eingesetzt werden.“
Die Lage im Landesverband ist nicht minder brisant. Die politische Arbeit des Landesvorstands ist in den vergangenen zwei Jahren immer wieder untergraben worden von Konflikten und Kampagnen, die von immer gleichen Personen und Lagern der Partei organisiert wurden. Auf die Dauer zermürbt das die Menschen und führt zu Demotivation, was daran hindert, sich weiterhin mit aller Kraft für DIE LINKE einzusetzen in dem Ausmaß, wie es eine verantwortliche Wahrnehmung des Amtes eines Landesvorstandsmitglieds erfordert.
Unser Wunsch ist: Es muss endlich Schluss sein damit, den Gegner zuvorderst in der eigenen Partei auszumachen und mit aller Kraft auch über bürgerliche Medien zu bekämpfen, anstatt unsere Energie für eine konstruktive, solidarische Zusammenarbeit zu investieren, die sich wirkmächtig für die politischen Anliegen der LINKEN in Auseinandersetzung mit den anderen Parteien einsetzt.
Der Kreis der Unterzeichner dieser Erklärung steht für unterschiedlichste Spektren in unserer Partei. Ja, auch wir haben teilweise gravierende politische und inhaltliche Differenzen. Es gehört aber zu unserem Selbstverständnis, unterschiedliche Sichtweisen als Chance zu begreifen und produktiv zu nutzen. Dass der Pluralismus in unserer Partei aufgekündigt wurde, erschüttert unser Selbstverständnis und die Grundlage unserer Zusammenarbeit. Daher haben wir uns entschieden, für den nächsten Landesvorstand in NRW nicht zu kandidieren. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Gerade in der größten ökonomischen Krise der Nachkriegsgeschichte wird eine geeinte, starke linke, sozial und sozialistisch ausgerichtete Kraft dringender denn je gebraucht.
Wir möchten uns bei allen Genossinnen und Genossen für das Vertrauen und die jahrelange Unterstützung bedanken.
Ulrike Eifler, Stellvertretende Sprecherin
Britta Pietsch, Stellvertretende Sprecherin
Hans Decruppe, Stellvertretender Sprecher
Amid Rabieh, Stellvertretender Sprecher
Lukas Schön, Landesgeschäftsführer
Carolin Butterwegge
Igor Gvozden
Jana van Helden
Frank Kemper
Fotis Matentzoglou
Hanno von Raußendorf
Christiane Tenbensel
Mohamad Shoan Vaisi
Stellungnahme der Sozialistischen Linken NRW
Die Sozialistische Linke NRW nimmt die Erklärung bisheriger Landesvorstandsmitglieder mit großem Bedauern zur Kenntnis. Gerade in der größten ökonomischen Krise der Nachkriegsgeschichte wird eine geeinte, starke, sozial und sozialistisch ausgerichtete LINKE dringender denn je gebraucht. Deshalb hätten wir uns die Kandidatur eines starken, konstruktiven, pluralistischen Teams für die Spitze des Landesverbands der LINKEN. NRW gewünscht und dieses gerne unterstützt.
Für die Sozialistische Linke NRW gilt jedenfalls weiterhin:
- Wir bleiben zusammen.
- Wir wollen den Kampf für einen konstruktiv agierenden Landesverband der LINKEN. NRW weiterführen.
Zugleich haben wir aber volles Verständnis für die Entscheidung dieser bisherigen Landesvorstandsmitglieder und etlicher weiterer Genossinnen und Genossen, unter den derzeitigen Umständen nicht für den neuen Landesvorstand kandidieren zu wollen. Deren Erklärung ist – zu unserem tiefsten Bedauern – voll und ganz nachvollziehbar.