Bericht der Sozialistischen Linken NRW zum Landesparteitag

DIE LINKE. NRW hat einen neuen Landesvorstand gewählt. Der Weg dahin war mit vielen Hürden versehen und beinahe wäre das Ziel, einen neuen – auf 16 Genoss:innen verkleinerten – Vorstand zustande zu bringen, nicht erreicht worden.

Manchmal können auch Facebook-Posts aufschlussreich sein: So schreibt der Berliner Bewegungslinken-Funktionär Janis Ehling: „Der Landesparteitag in NRW versank erwartungsgemäß in Chaos. Die verdienstvollen Landesvorsitzenden Jules El-Khatib und Nina Eumann traten nicht mehr an. Sie schafften, was vor ihnen kaum jemand in NRW schaffte: eine gemeinsam getragene Liste zu den Landtagswahlen aufzustellen. Gegen die schwache Verankerung der Partei, die tiefen innerparteilichen Gräben und den schwachen Bundestrend half all das nicht. … Herzlichen Dank an Nina und Jules für eure Arbeit … Ihr habt versucht die Partei zusammenzuführen und seid teils an den eigenen Leuten gescheitert.“

Ein Genosse aus NRW postet: „Nach diesem LPT kann man nur noch austreten!“ – und meint damit explizit die Zusammensetzung des neuen Landesvorstands. Dazu erhält er als Kommentar aus Bayern: „Ach liebe Genoss:innen in NRW. Jammern auf einem sehr hohen Niveau … Wir hier in Bayern wären froh, wenn wir uns über solche Probleme wie in NRW den Kopf zerbrechen dürften. … Ihr seid gut strukturiert, gut organisiert, habt auch gute Vernetzung und Infrastruktur, sehr engagierte Basismitglieder – wenn’s nur an den Führungsköpfen kränkelt, sorry, das sollte wirklich kein Problem sein. Die Politik und das Vertrauen wird in der Basis und den Gliederungen sowie den kommunalen Parlamenten erzeugt. Dazu ist ein LaVo bestenfalls eine organisatorische Unterstützung, aber weder der Initiator noch der Garant.“

Zunächst aber zu den inhaltlichen Positionierungen des Parteitags. Hierbei zeigte sich – anders als bei den personellen Auseinandersetzungen – mitunter große Einigkeit: Der Leitantrag des Landesvorstands wurde an etlichen Stellen ergänzt und konkretisiert: vor allem auch durch Ergänzungsanträge der Sozialistischen Linken, die die Interessen der Lohnabhängigen noch deutlicher in den Mittelpunkt der weiteren Arbeit des Landesverbands rücken sollten. Darüber hinaus wurden klare organisationspolitische Aufgaben definiert, an denen sich der neue Landesvorstand messen lassen muss – unter anderem:

  • Durchführung einer Konferenz zur Parteiarbeit im ländlichen Raum in der ersten Jahreshälfte 2023,
  • Vorbereitung zur Bildung von Regionalverbänden bis 2024,
  • Professionalisierung der Kommunikationsstrukturen,
  • Intensivierung des kommunalpolitischen Austauschs.

Der Leitantrag wurde bei einer Gegenstimme und fünf Enthaltungen angenommen. Weitestgehend einstimmig angenommen wurden auch Anträge zu Gleichen Rechten für alle bei Kommunalwahlen, Kostenfreie Mund-Nasen-Masken und Covid-Tests für Transferleistungsbeziehende, für die deutliche Erhöhung der Regelsätze und die Übernahme tatsächlicher Heizkosten sowie Solidaritäts-Resolutionen zum Freiheitskampf im Iran und zum Kampf für den Erhalt von Lützerath. Allerdings wurden alle kontroversen Anträge wegen der fortgeschrittenen Zeit in den Landesrat überwiesen.

Zur personellen Entwicklung im Landesverband NRW: Nicht nur Jules El-Khatib und Nina Eumann sind zur Neuwahl des Landesvorstands nicht mehr angetreten: 13 von 22 Landesvorstandsmitgliedern hatten vor dem Landesparteitag eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht unter dem Titel „Warum wir nicht wieder kandidieren“. Darin kritisieren sie, dass sich der Parteivorstand beharrlich weigert, die Ursachen der fortgesetzten Wahlniederlagen seit 2019 aufzuarbeiten, eine selbstzerstörerische Streitkultur und die Zerstörung rechtsstaatlicher Prinzipien innerhalb der eigenen Partei (Abschaffung der Unschuldsvermutung im MeToo-Kontext). Darüber hinaus heißt es in der Erklärung: „Die politische Arbeit des Landesvorstands ist in den vergangenen zwei Jahren immer wieder untergraben worden von Konflikten und Kampagnen, die von immer gleichen Personen und Lagern der Partei organisiert wurden. Auf die Dauer zermürbt das die Menschen und führt zu Demotivation, was daran hindert, sich weiterhin mit aller Kraft für DIE LINKE einzusetzen in dem Ausmaß, wie es eine verantwortliche Wahrnehmung des Amtes eines Landesvorstandsmitglieds erfordert.“

Vor diesem Hintergrund waren alle Versuche der Sozialistischen Linken NRW gescheitert, für die Neuwahl des Landesvorstands ein starkes, links-pluralistisches Team zusammenzubringen: In den letzten Wochen vor dem Landesparteitag hatten viele engagierte Genossinnen und Genossen abgewunken, die eigentlich bereit waren zu kandidieren – aber eben nur in einem Team, nicht als Einzelkämpfer:innen in einem derart schwierigen, teils sogar feindseligen Umfeld.

So war es nicht verwunderlich, dass die meisten der bis zum Landesparteitag bekannten Kandidat:innen zum Landesvorstand aus der AKL und ihrem Umfeld kamen. Von vornherein klar war auch, dass es – trotz einer drastischen Verkleinerung des Landesvorstands – viel zu wenige Kandidatinnen waren. Noch bis weit in den ersten Tag des Parteitags hinein gab es keine einzige Kandidatin als Landessprecherin.

Schließlich erklärte sich die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler zur Kandidatur bereit. In einer der Sitzungsunterbrechungen des Parteitags (angesichts der kritischen Situation gab es davon mehrere – ebenso wie Frauenplena) sagte sie den Delegierten der Sozialistischen Linken ausdrücklich zu, als Landessprecherin künftig keine polarisierenden Veröffentlichungen mehr zu tätigen, sondern sich für die Einheit der Partei einzusetzen.
Kathrin Vogler wurde dann ohne Gegenkandidatin mit 68 Prozent der Stimmen als Landessprecherin gewählt. Als Co-Sprecher setzte sich Sascha Wagner (AKL) mit 54 Prozent gegen den Kabarettisten Mehmet Sencan durch.

Als Landesgeschäftsführer wurde Sebastian Merkens mit 57 Prozent und als Landesschatzmeister Ralf Fischer mit 81 Prozent gewählt; als jugendpolitischer Sprecher Philippe Tambasco mit 80 Prozent.

Bei der Wahl zu Stellvertretenden Landessprecherinnen traten Aie Al Khajat und Sefika Minte als einzige auf die zwei zu vergebenden Funktionen an: Beide konnten in zwei Wahlgängen beide Male nicht das Quorum von 50 Prozent erreichen. Nach ihrer persönlichen Erklärung nach dem ersten Wahlgang, ihre Nicht-Wahl zeige den Rassismus und Sexismus in der NRW-LINKEN, scheiterte Aie Al Khajat beim zweiten Versuch noch deutlicher als beim ersten Mal.

Hiernach, aber auch schon während der Generaldebatte gab es immer wieder Versuche aus dem AKL-Lager, den 13 bisherigen Landesvorstandsmitgliedern und der Sozialistischen Linken eine „Blockadehaltung“ zu unterstellen.
Unter Beifall offenbar der Mehrheit der Delegierten wurde darauf entgegnet, dass die schwierige Situation und der Mangel an Kandidatinnen durch die permanenten Angriffe auch über die bürgerlichen Medien auf den bisherigen Landesvorstand und die zahlreichen Spaltungsaufrufe aus der Bundespartei herbeigeführt worden seien.
So heißt es im Aufruf der „Progressiven Linken“, der von Parteirechten wie Thomas Nord, Antideutschen wie Jule Nagel und Bewegungslinken wie Lorenz Gösta Beutin initiiert wurde, wörtlich: „Die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Linken erfordert, die Koexistenz mit dem Linkskonservatismus in der Partei zu beenden.“ Gemeint sind mit „Linkskonservatismus“ offenbar Unterstützer:innen von Sahra Wagenknecht ebenso wie Mitglieder der Sozialistischen Linken, der Kommunistischen Plattform und von Cuba Si. Deutlich wurde darauf verwiesen, dass keines der 13 bisherigen Landesvorstandsmitglieder einen dieser Spaltungsaufrufe unterschrieben hat, sehr wohl aber mehrere der Landesvorstandskandidat:innen aus der AKL.

Nach dem vorläufigen Scheitern der Wahl zu Stellvertretenden Landessprecherinnen wurden die Wahlen zum Erweiterten Landesvorstand vorgezogen: Nach dem späten Antritt von Kathrin Vogler als einziger Kandidatin zur Landessprecherin, kam es hierbei zum zweiten positiven Wendepunkt des Landesparteitags: Edith Bartelmus-Scholich, die wegen ihrer permanenten öffentlichen Angriffe auf die bisherige Landesvorstandsmehrheit wohl umstrittenste Person im Landesverband, erklärte ihren Rückzug von der Kandidatur. Damit wurde der Weg frei für die Kandidatur von Genoss:innen, die explizit erklärt hatten, nicht mit Bartelmus-Scholich im selben Gremium zusammenarbeiten zu wollen. Auf die quotierten Plätze im Erweiterten Landesvorstand gewählt wurden die einzigen Kandidatinnen: Bianca Austin (74 %), Sarah Kreuzer (79 %), Ida Paul (48 %) und Judith Serwaty (73 %). Im unquotierten Wahlgang setzten sich durch: Bernhard Koolen (42 %) und erst in der Stichwahl Jan Köstering.

Hiernach kam es dann zum dritten Wahlgang zu Stellvertretenden Landessprecherinnen: Diesmal kandidierte die frühere langjährige Kölner Kreissprecherin, Angelika Link-Wilden (Sozialistische Linke): Dass Angelika nunmehr antrat, wurde mit großem Beifall der Delegierten honoriert. Sie erzielte 78,4 Prozent. Die zum dritten Mal angetretene Sefika Minte kam nun auf 58,8 Prozent. Als Stellvertretende Landessprecher gewählt wurden Dominik Goertz mit 54,3 Prozent und Ulrich Thoden mit 68,8 Prozent.

Fazit: Auf Grund der Vorgeschichte dieses Parteitags war es von vornherein klar, dass die AKL im neuen Landesvorstand ein Übergewicht haben wird, das in keiner angemessenen Relation zu ihrer personellen Stärke im Landesverband steht. Alle anderen politischen Kräfte waren in Folge der permanenten Zermürbungsstrategie erschöpft – dennoch haben sie sich keineswegs der weiteren Mitarbeit im Landesverband verweigert.

Der neue Landesvorstand wird jetzt zeigen müssen, ob er die inhaltlichen und organisatorischen Vorgaben des Leitantrags erfüllen will und kann. Vor allem aber wird der neue Landesvorstand daran zu messen sein, ob er den Laden zusammenhalten will und kann – oder ob sich die zunehmende Spaltung der Partei auf Bundesebene gleichermaßen oder sogar verschärft in NRW widerspiegelt.

Es gab am Ende des Parteitags zaghafte Signale der neuen Mehrheit zu einem konstruktiveren Miteinander kommen zu wollen. Auch deshalb verdient der neue Landesvorstand eine Bewährungschance – trotz der mitunter unzumutbaren Vorgeschichte des Zustandekommens dieser neuen Mehrheit. Aber die krisenhafte Situation der Partei lässt für diese Bewährungschance nicht allzu viel Zeit.

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Fotos: hp.schulz – mehr Videos unter www.links-tube-nrw.de