Bericht der Sozialistischen Linken NRW zum Landesrat am 26. August
Zwei Kreisverbände haben gar keine Delegierten zum Landesrat gewählt. Mehrere Kreisverbände konnten die ihnen zustehenden Delegiertenmandate nicht ausschöpfen, weil niemand mehr dafür kandidieren wollte oder Mitgliederversammlungen zur Delegiertennachwahl nicht zustande kamen. Immerhin: 138 von 152 satzungsgemäß vorgesehenen Landesrats-Delegierten sind gewählt. Dennoch waren in der Landesratstagung am Samstag in Kamen fünf weitere Kreisverbände überhaupt nicht vertreten und etliche Kreisverbände nur mit Rumpfmannschaften. So waren zum Zeitpunkt der Mandatsprüfung gegen 12.30 Uhr nur 71 der gewählten Delegierten anwesend: mit nur 51,5 Prozent gerade noch beschlussfähig.
Um möglichen Verdächtigungen vorzubeugen, stellte Landesgeschäftsstellenleiter Michael Kret-schmer bei der Verkündung des Mandatsprüfungs-Ergebnisses ausdrücklich fest: „Die heute feh-lenden Kreisverbände lassen sich jedenfalls nicht einseitig irgendwelchen Strömungen zuordnen.“
Stetige Mitgliederverluste und die an der Teilnehmer:innenzahl ersichtliche Demobilisierung des Landesverbands spiegelten sich auch in der Generaldebatte zu den Berichten wider:
Der Landesvorstand sowie das ihn unterstützende Spektrum aus Bewegungslinken und „Progres-siven“ Linken sah die Verantwortung für den Zustand des Landesverbands ausschließlich auf der Bundesebene und vor allem bei Sahra Wagenknecht.
Der Bielefelder Kreissprecher Onur Ocak hingegen bezeichnete den Landesvorstand als „eine zeitverkürzende Maßnahme für das Überleben der Partei“. Andere verwiesen in diesem Zusam-menhang unter anderem auf den Landesvorstands-Beschluss, in dem nicht nur die Veranstalterin-nen der Kundgebung „Aufstand für Frieden“, sondern zumindest indirekt auch die zahlreichen Teil-nehmenden aus NRW als „rechtsoffen“ bezichtigt wurden.
Abgeschlossen wurde diese Debatte mit der Aufforderung von Landesgeschäftsführer Sebastian Merkens: „Wer nicht ehrlich sagt, dass er an der Zukunft dieser Partei arbeitet, der soll jetzt den Raum verlassen.“
Dass sich davon vielleicht auch einige frustrierte, zweifelnde, in ihrer Entscheidung noch unsichere Genoss:innen angesprochen fühlten, sollte sich wenig später zeigen.
„Sudden Death“ um 16.33 Uhr
Um 16.33 Uhr stellte jemand den Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit. Ergebnis: nur noch 61 der 138 gewählten Delegierten waren anwesend: nur 44,2 Prozent, also war der Landesrat beschlussunfähig.
Substanziell gab es bis dahin nur ein einziges Ergebnis: Unmittelbar vor Feststellung der Be-schlussunfähigkeit hatten 65 von 66 Delegierten in geheimer Abstimmung für die Nominierung von Özlem Alev Demirel auf Platz 3 der Europawahl-Liste votiert.
Alle anderen Anträge fielen unter den Tisch: darunter auch der Antrag der Sozialistischen Linken „Stoppen wir die Spaltungsspirale, retten wir unsere Partei gemeinsam!“, in dem – entsprechend dem Vorschlag von Sören Pellmann – als möglicherweise letzter Chance für die Rettung der Einheit der LINKEN ein breit angelegter Parteikonvent unter Einbeziehung der Kreisvorsitzenden und lokalen Fraktionsvorsitzenden eingefordert wurde.
Stattdessen wird nun kurzfristig vom Parteivorstand eine Videokonferenz einberufen, in der sich vor allem Parteivorstand, Fraktion und Landesvorsitzende austauschen: ein eng begrenzter „Konvent“ mit vorhersehbaren Ergebnissen.
Ein Antrag, in dem die NRW-Bundesausschussmitglieder dazu aufgefordert werden sollten, die Nominierung von Carola Rackete abzulehnen, wurde zwar noch eingebracht, aber nicht mehr ab-gestimmt. Hierzu hatte es in der Generaldebatte zum Europawahlkampf eine sehr kontroverse inhaltliche Debatte gegeben: Unmittelbar nach der Pressekonferenz der Parteivorsitzenden am 17. Juli, in der „Unser Spitzenteam“ vorgestellt wurde, hatten auch die „Bewegungsaktiven“ um Carola Rackete eine Pressekonferenz abgehalten: Darin war „eine radikale Erneuerung der Partei unter anderem auch in der Außen- und Sicherheitspolitik“ eingefordert worden, was kaum verhüllt auf die Forderung hinauslief, dass DIE LINKE Waffenlieferungen an die Ukraine zustimmen solle: nach Einschätzung der Antragsteller aus den Kreisverbänden Bottrop und Recklinghausen ein klarer Verstoß gegen das Erfurter Programm. Dem Versuch von Till Sörensen, diese Äußerungen der „Bewegungsaktiven“ in eine friedliebende Richtung umzudeuten, widersprach auch Özlem Alev Demirel sehr deutlich.
Bemerkenswert immerhin: Die verbliebenen Delegierten lauschten auch nach der Feststellung der Beschlussunfähigkeit noch aufmerksam den Ausführungen von Landesschatzmeister Ralf Fischer zur immer enger werdenden Finanzlage des Landesverbands. Der Antrag des Landesvorstands, hierzu eine Arbeitsgruppe zu bilden, fiel natürlich ebenso unter den Tisch.