Sozialistische Linke NRW zum Landesparteitag

Der Online-Landesparteitag der LINKEN. NRW am ersten Dezember-Wochenende hat durchwachsene Ergebnisse gezeitigt: ein hervorragendes Landtags-Wahlprogramm auf der einen Seite, aber auch Personal-Entscheidungen, die teilweise quer zu den inhaltlichen Zielen des Programms stehen.

Das Positive zuerst: Mit 82 % Ja-Stimmen wurde das Landtags-Wahlprogramm mit breiter Mehrheit angenommen.
Der Landesvorstand (LaVo) hatte in enger Zusammenarbeit mit den Landesarbeitsgemeinschaften (LAGs) einen umfassenden Entwurf zum Landtags-Wahlprogramm eingebracht. Schon diesen ersten Entwurf hatte die Sozialistische Linke NRW (SL) als „den besten, den wir je hatten“ bewertet. Aber Gutes lässt sich durchaus noch verbessern: Dazu beigetragen haben zahlreiche Änderungsanträge aus Kreisverbänden und LAGs, von denen viele vom LaVo übernommen wurden.

Dazu beigetragen hat vor allem auch der strömungsübergreifend erarbeitete Änderungsantrag des Kreisverbandes Köln zur Präambel, den der LaVo ebenfalls übernommen hatte: Damit ist es gelungen, LINKE Ziele für NRW noch sehr viel klarer und pointierter deutlich zu machen. Diese Präambel-Fassung hat nach längerer Diskussion eine deutliche Mehrheit gegen den Alternativentwurf des von der AKL mitgetragenen Entwurfs des KV Mettmann erzielt. Auch beim ähnlich kontrovers diskutierten Kapitel zur Wirtschaftspolitik setzte sich die letzte vom Landesvorstand eingebrachte Fassung (inclusive zahlreicher Übernahmen) deutlich gegen den AKL-Änderungsantrag durch.

Nur beim Kapitel zur Bildungspolitik kam es anders: Hier wurde die Ursprungsfassung der LAG Bildungspolitik mehrheitlich beschlossen. Sie unterschied sich vom Entwurf, der vom LaVo in den Parteitag eingebracht wurde, im Wesentlichen in Gliederung und Betonung: „Schule ohne Hausaufgaben, Schule ohne Noten“ steht jetzt im Vordergrund statt „Eine Schule für alle“.

Eine weitere Kontroverse zum Landtags-Wahlprogramm sei noch erwähnt: „Arbeit im öffentlichen Dienst auch für Menschen mit Kopftuch oder Kippa“ wurde beschlossen. Den Kampf gegen jede Form von Diskriminierung unterstützen wir natürlich voll und ganz. Dennoch ist aus Sicht der SL eine solche Formulierung mit Blick auf die laizistische Ausrichtung unserer Partei problematisch.

Eindeutig positiv zu werten sind die Beschlüsse zu den meisten sonstigen Anträgen. Dazu ist zunächst einmal anzumerken, dass es gelungen ist, nicht nur ein Mammutprogramm beim Landtagswahlprogramm erfolgreich abzuarbeiten, sondern auch noch den Freiraum zu schaffen, um die meisten sonstigen vorliegenden Anträge zu beraten. Zu verdanken ist dies der hervorragenden Organisation des Parteitages durch Landesgeschäftsführer Lukas Schön und seinem Team aus hauptamtlichen und zahlreichen ehrenamtlichen Helfer:innen, der guten Arbeit von Antragskommission und Parteitagspräsidium sowie der hohen Disziplin der Delegierten.

Schon bei der Diskussion zur Tagesordnung kam es zu einem ersten erfreulichen Ergebnis: Der SL-Antrag „Für die Einheit des Landesverbands und einen erfolgreichen Landtagswahlkampf: Den TOP ‚Abwahl von LaVo-Mitgliedern‘ aus der Tagesordnung streichen!“ brauchte gar nicht erst abgestimmt zu werden, weil es nicht mal eine formale Gegenrede gab. Die Anträge „Militarisierung stoppen – Nein zur NATO in Bochum und anderswo“, „LINKE in Betriebsräte – Betriebsräte in DIE LINKE“, die Unterstützung der Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE“, „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ und die Forderung nach einer vertieften Arbeit des Landesverbands zum Thema Kommunal-Finanzen wurden allesamt mit großen Mehrheiten angenommen. Der von AKL-Mitgliedern eingereichte Antrag „BewegungsaktivistInnen auf die Landesliste zur Landtagswahl“ wurde wegen seiner einseitigen Ausrichtung mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Problematisch war aber das Signal bei der Diskussion zur Tagesordnung, Sahra Wagenknecht als Gastrednerin auszuladen. Zum einen wurde dieser Beschluss selbstverständlich von der Presse aufgegriffen. Genau das war von den Antragsteller:innen ja sicher auch beabsichtigt. Ein werbewirksamer Wahlkampfauftakt war das aber gewiss nicht. Zum anderen ist festzustellen: Bei aller verständlichen Kritik (z.B. an ihren Aussagen zur Corona-Politik) wirkt es merkwürdig, dass Sahra Wagenknecht in den sozialen Medien aus der immer gleichen innerparteilichen Ecke zur Diskussion mit der Partei aufgefordert wird – nur um diese dann abzulehnen, wenn sie sich der Diskussion mit den Delegierten stellen will.

Die Wahl der NRW-Delegierten zum Bundesausschuss hat eine ausgesprochen pluralistische Zusammensetzung ergeben: mit Jule Kegel, Conny Swillus-Knöchel, Nicole Fritsche-Schmidt und Till Sörensen, Fotis Matentzoglou, Diyar Agu.

Die Nachwahlen zum Landesvorstand liegen aber teilweise quer zu den inhaltlichen Vorgaben des hervorragenden Landtags-Wahlprogramms: Dass der Kandidat der Bewegungslinken Jules El-Khatib mit breiter Mehrheit (75,5 %) zum Nachfolger von Christian Leye als neuer Landessprecher gewählt wurde, aber Amid Rabieh ohne Gegenkandidat nur 53 % bei der Wahl zum Stellvertretenden Landessprecher erhielt, ist wenig erfreulich. Hier wurde die Chance verpasst, Geschlossenheit im Vorfeld der Landtagswahl zu demonstrieren.

Die Ergebnisse der Wahl der Beisitzer:innen liegen quer zu den Absichten des Programms, eine breite gesellschaftliche Zustimmung zu erhalten: Zwar ist die Wahl von Jana van Helden und Shoan Vaisi als zwei jungen, engagierten Genoss:innen zu begrüßen. Aber die Nicht-Wahl der langjährigen Kölner Ex-Kreissprecherin und fest in Bewegungen verankerten Angelika Link-Wilden und des Bielefelder Gewerkschafts-Sekretärs Onur Ocak, der schon in etlichen Prozessen erfolgreich Betriebsräte und Beschäftigte gegen Kapitalisten-Willkür verteidigt hat, könnten Anzeichen für einen möglichen Kurswechsel quer zum Programm sein.

Die AKL hatte einen sehr rückwärts orientierten und polarisierenden Antrag mit dem Titel „Programm und Partei verteidigen“ eingereicht, der letztlich nicht mehr behandelt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass wir diesen Titel (nicht den Stil!) vor der Landtagswahl nicht recyceln müssen. Denn klar ist:

Die Lohnabhängigen und gesellschaftlich Ausgegrenzten brauchen endlich wieder eine deutlich wahrnehmbare Stimme im Landtag und in der landespolitischen Öffentlichkeit!

im Bild: Amid Rabieh, neu gewählter stellv. Landessprecher