Die Ampelkoalition ist seit dem 7. November 2024 Geschichte: Frühjahr 25 findet die Bundestagswahl vorzeitig statt. Dies hat gravierende Auswirkungen auf unsere Landes- und Bundespartei. Wir stehen zeitlich unter Druck, was eine Priorisierung unserer Aufgaben erfordert. Als Landesvorstand werden wir folgende vier Punkte prioritär behandeln.
1 Wirtschaftspolitik
Die Ampel ist an wirtschaftspolitischen Differenzen unter den koalierenden Parteien zerbrochen. Strittig war, wie die lahmende Ökonomie zu reaktivieren ist, wie der Strukturwandel zur postfossilen, digitalen Betriebsweise gelingen kann und wie mit der Schuldenbremse und dem Sozialhaushalt umgegangen werden soll. Diese Fragen umtreiben nicht nur die Parteien der zerbrochenen Ampel, sondern auch den Großteil der Bevölkerung. Es ist daher davon auszugehen, dass Wirtschafts- und Finanzpolitik, Struktur- und Industriepolitik sowie Sozial- und Verteilungspolitik zentrale Themen im Wahlkampf sein werden und in ihm der Frage der Schuldenbremse eminente Bedeutung zukommen wird.
Es liegt auf der Hand, dass unsere Partei in diesen Fragen gut aufgestellt sein muss, um im Wettbewerb mit anderen Parteien zu reüssieren und Wähler*innen zu überzeugen. Unsere Partei versteht sich zurecht als soziale Gerechtigkeitspartei mit einer Parteinahme für die Interessen der lohnabhängigen Bevölkerung und mit dem Ziel, soziale Ungleichheit zu reduzieren. Doch so richtig und wichtig dies auch ist: Es wird nicht reichen.
Unsere Partei muss obendrein glaubhaft den Anspruch verkörpern, an der Reproduktion der gesamten politischen Ökonomie dergestalt mitwirken zu wollen und zu können, dass die Ansprüche der Lohnabhängigen in der primären und sekundären Verteilung überhaupt erfüllt werden können und die ökologische Transformation wirklich gelingen kann. Ein solcher Ansatz stellt sich den Herausforderungen von Wertschöpfung und Wachstum, den Erfordernissen ökonomischer Strukturen und Sektoren sowie der Entwicklung von Preisen, Löhnen und Zinsen und beantwortet die Frage, welche öffentlichen Ausgaben in welcher Höhe für eine stimmige Reproduktion der gesamten politischen Ökonomie erforderlich sind, welche Finanzierung hierfür geeignet und welche Regulation preislicher Zusammenhänge hierfür geboten ist. Daraus folgt:
Landespartei und Kandidat*innen wirtschaftspolitisch ausbilden und stärken
Unsere Partei kann davon nur profitieren. Hierauf müssen wir uns jedoch vorbereiten und unsere wirtschaftspolitischen Schwächen schleunigst überwinden. Wir wollen daher gemeinsam mit linken Ökonom*innen Schulungsangebote für Kandidat*innen und Kreisverbände zu den Grundlagen linker Wirtschafts- und Finanzpolitik anbieten.
Einfluss auf die wirtschaftspolitischen Positionen des Bundes nehmen
Auf der Pressekonferenz vom 7. November 2024 („Nach der Ampel links“) haben die Parteivorsitzenden ein Positionspapier zur Wirtschaftspolitik angekündigt. Die uns bisher bekannten Stichpunkte des Papiers zeigen, dass wir uns als Landespartei in den Diskussionsprozess einbringen und an der Erarbeitung der Position partizipieren müssen.
Eigene wirtschaftspolitische Forderungen entwickeln und konkretisieren
Zu oft haben wir uns als Partei auf Sozialpolitik beschränkt. Sozialpolitisches Profil kann jedoch nur erworben werden, wenn es eingebettet ist in eine linke Wirtschaftspolitik.
Kernthema im Wahlkampf ist daher zum einen ein von uns noch zu erarbeitendes linkes wirtschafts- und finanzpolitisches Konzept, zum anderen die Kritik an der Schuldenbremse und an unzureichenden Investitionen in Ökonomie, Infrastruktur, Daseinsfürsorge und Klima. Unsere Kritik an der Schuldenbremse sollten wir nicht abschwächen, indem wir der falschen Annahme einer prinzipiellen Ausgabenkonkurrenz innerhalb eines vermeintlich unveränderlichen Budgets auf den Leim gehen.
Wir sollten auch davon absehen, die Durchsetzung unserer Forderungen nur von Vermögens- und Einkommensbesteuerung der Reichen abhängig zu machen. Freilich bleibt „Tax the Rich“ eine notwendige Forderung, um die Demokratie vor übermäßiger wirtschaftlicher Macht und gesellschaftlicher Ungleichheit zu schützen, aber zur Finanzierung der von uns geforderten Ausgaben gehören neben Steuerpolitik auch öffentliche Verschuldung und die Monetarisierung von Staatsausgaben durch Instrumente der Geldpolitik.
2. Fahrplan 2025 neu denken
Infolge der Neuwahlen ist der Fahrplan 2025 nicht wie geplant umsetzbar.
Politische Positionen auch selbst erarbeiten
Der Ansatz, Positionen des Wahlprogramms aus Erkenntnissen von Haustürgesprächen im Vorwahlkampf zu entwickeln, ist nicht falsch, aber unzureichend, erst recht unter zeitlichem Druck. Freilich können Kreisverbände, die jetzt in den Vorwahlkampf gestartet sind oder starten wollten, an eingeübten Praktiken des Haustürwahlkampfs anknüpfen.
Ein bloßes Zuhören wird im Wahlkampf aber nicht mehr reichen. Wir müssen auch mit einer selbst erarbeiteten klaren Botschaft den Kontakt zu den Wähler*innen suchen – sei es an der Haustür, auf Märkten oder in Innenstädten. Dabei ist es wichtig, bereits im Bundestagswahlkampf auf Themen zu setzen, die auch für die Kommunalpolitik zentral sind.
Schwerpunktthemen mit bundes- und kommunalpolitischer Relevanz bearbeiten
In Kooperation mit der Bundespartei erarbeiten wir zwei bis drei Schwerpunktthemen unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten für NRW, wo im September Kommunalwahlen anstehen. Für die großen Städte in NRW wird die Wohnungspolitik, darunter mietrechtliche und investive Maßnahmen zur Abbremsung und Deckelung von Mieten sowie zur soziapolitisch verantwortungsvollen energetischen Modernisierung, eine zentrale Rolle spielen.
Dieser Ansatz verbindet Bundes- mit Kommunalpolitik, spricht verschiedene Milieus der Lohnabhängigen an und setzt am Spannungsfeld zwischen ökonomischer, sozialer und ökologischer Frage an, in dem wir uns profilieren können und müssen. Diskutiert werden sollte, ob in der Kürze der Zeit auch eine Unterschriftenkampagne für eine wirksame Regulierung zur Begrenzung des Mietentwicklung durchführbar ist; dies könnte sinnvoll in Haustürwahlkämpfe eingebunden werden.
Selbstverständlich gibt es auch Kreise, insbesondere im ländlichen Raum, in denen das Thema Miete als Schwerpunkt ungeeignet ist. Dort bietet es sich an, neben der Wirtschaftspolitik ein weiteres Thema mit kommunalem Bezug zu bearbeiten und stark zu machen. Mögliche Themen sind Strukturpolitik, Unternehmensansiedlung, Stärkung der Infrastruktur, der Nahversorgung und medizinischen Versorgung im kommunalen Raum mithilfe bundespolitischer finanzieller Unterstützung.
3 Vorbereitung der Kommunalwahl
Neben der Bundestagswahl haben wir in NRW eine Besonderheit: Wir müssen parallel die Kommunalwahl vorbereiten.
Kommunalpolitische Leitlinien
Parallel zum Bundestagswahlkampf wird weiter an den kommunalpolitischen Leitlinien gearbeitet werden. Dabei wollen wir primär bestehende Inhalte aktualisieren und den Umfang deutlich straffen.
Kandidatensuche und Aufstellung
Der Landesvorstand wird gemeinsam mit den Kreisverbänden Kriterien für Kandidierende aufstellen, die die Erfahrungen vergangener parteiloser Kandidaturen kritisch berücksichtigen.
4 Innerparteiliche Bildung
Mit der Zahl der Neumitglieder und neuen Aktiven steigt auch der Bedarf an politischen und praktischen Bildungsangeboten. Gemeinsam mit der Bundespartei, Bildungsträgern und den Bildungsverantwortlichen der Kreisverbände erarbeitet der Landesvorstand neue, teils vertiefende, teils niedrigschwellige Bildungsangebote für Mitglieder, Vorstände, Wahlkampfleitungen und Kandidierende und legt Wert auf Schulungen zur linken Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Aus Mangel an Zeit und Ressourcen wird vieles „learning by doing“ sein. Es kommt darauf an, sich bewusst zu sein, dass Kenntnisse und Erfahrungen langjähriger Mitglieder an die „Neuen“ weiterzugeben und gemeinsam neue Ideen auszuprobieren sind.
Begründung
Die bevorstehenden Neuwahlen verändern die Situation und den Zeitplan der Partei. Deshalb ist es notwendig, Prioritäten zu setzen. Ein Leitantrag hat die Aufgabe, jenseits von Parteitagsprosa zu sein Leitfunktion zu entwickeln und die Aufgaben des Landesvorstandes kurz und prägnant skizzieren.
Der Leitantrag des Parteivorstandes ist durch die Ereignisse überholt worden und nicht mehr auf der Höhe der Zeit, so dass ein neuer Leitantrag notwendig ist.