Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch an unsere (wieder-) gewählten Bundestags-Abgeordneten aus NRW: Sahra Wagenknecht, Matthias W. Birkwald, Sevim Dagdelen, Andrej Hunko und Kathrin Vogler haben den Wiedereinzug geschafft und unser Landessprecher Christian Leye ist neu in den Bundestag eingezogen. Wir sind sicher, sie alle werden die Interessen der nordrhein-westfälischen Lohnabhängigen und sozial Ausgegrenzten sowie des LINKEN-Landesverbands NRW in Fraktion und Parlament engagiert und wirksam vertreten.

Unser Dank gilt auch den in Folge des katastrophalen Wahlergebnisses beim Bundestagseinzug gescheiterten Kandidat:innen, die sich kämpferisch in den Wahlkampf eingebracht haben. Stellvertretend für sie alle seien hier die Kandidat:innen auf den Listenplätzen 7. – 12. genannt:
Ulrike Eifler hätte gewerkschaftlich orientierte Politik in der Fraktion endlich stärker verankert. Alexander S. Neu hätte seine konsequente Friedenspolitik fortgeführt. Britta Pietsch hätte dem Pflegepersonal endlich eine Stimme im Parlament gegeben. Friedrich Straetmanns hätte seine wichtige Arbeit als rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion fortsetzen können. Ezgi Güyildar wollte ihr antifaschistisches Engagement nun im Parlament weiterführen. Und Shoan Vaisi konnte schon während des Wahlkampfes zeigen, welche öffentliche Aufmerksamkeit die Stimme eines Geflüchteten im Bundestag hätte erzielen können. Ironie der Geschichte: „Dank“ des Wahlergebnisses können Ulrike Eifler und Britta Pietsch ihre wichtige Arbeit als Stellvertretende Landessprecherinnen ebenso engagiert wie bisher weiterführen.

Erinnert sei an dieser Stelle auch noch einmal an die kurz vor dem Ende der Legislaturperiode verstorbene verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Ingrid Remmers, die von 2007 bis zu ihrem Tod dem Landessprecher:innenrat der Sozialistischen Linken NRW angehörte.

Nicht „Weiter so“ nach der Bundestagswahl – aber wie dann?

Dass das Wahlergebnis für DIE LINKE katastrophal ist, wurde bereits vielfach festgestellt. Wir haben im Vergleich zu 2017 bundesweit ebenso wie in NRW gut die Hälfte der Stimmen verloren. Mit einem tiefblauen Auge sind wir noch einmal davon gekommen und haben weiterhin eine Fraktion im deutschen Bundestag. Ein deutliches Warnzeichen ist die Tatsache, dass wir als sozialistische Partei mit 5 Prozent den geringsten Anteil an Wähler:innen unter den Arbeiter:innen haben. DIE LINKE hat gerade auch auf dem Gebiet ihrer Gründungs- und Kernkompetenz – der sozialen Gerechtigkeit – und bei den arbeitenden Menschen und Gewerkschafter:innen in massiver Weise verloren.

Die öffentlichen Reaktionen unserer Parteiführung reichen von „notwendiger gründlicher Analyse des miserablen Wahlergebnisses“ über „So kann es nicht weitergehen“ bis „DIE LINKE muss sich neu erfinden“. Eine genauere Ursachenanalyse ist sicherlich notwendig. Eine gute Grundlage hierfür liefert die Stellungnahme des Bundessprecher:innenrats der Sozialistischen Linken.

Wie können wir in NRW wieder nach vorn kommen?

Deshalb nur ganz kurz: Die Ursachen für derart massive Stimmenverluste sind vielfältig und lassen sich nicht allein auf die letzten Monate vor der Wahl reduzieren, sondern reichen viel weiter – wahrscheinlich sogar bis zum Göttinger Parteitag 2012 – zurück. Einzelne Kritikpunkte willkürlich herauszugreifen und diese dann auch noch zu personalisieren, halten wir für den falschen Weg. Die Schuldfrage in den Mittelpunkt zu rücken und einzelne Personen oder Vorstandsmehrheiten haftbar zu machen, wäre aus unserer Sicht schon deshalb unsinnig, weil die Mehrheitsverhältnisse im Parteivorstand völlig konträr zu denen im Landesvorstand NRW sind:

Die Verluste in NRW und im Bund unterscheiden sich aber nicht nennenswert voneinander. NRW hat zwar einen der „Spitzenplätze“ bei den Verlusten unter den westdeutschen Flächenländern, liegt aber um einiges unter den Verlusten im Bundesdurchschnitt. Nicht einzelne Personen oder bestimmte Gruppierungen haben die Wahl verloren, sondern wir alle!

Schon seit März 2020 lagen alle Wahlumfragen für DIE LINKE bei nur 6 – 8 Prozent: mit stetig fallender Tendenz. Nur der letzte heftige Knick von 6 Prozent auf knapp unter 5 Prozent lässt sich mit kurzfristigeren Entwicklungen erklären. In den letzten Wahlkampfwochen kam als letzter Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, das Kanzlerkandidaten-Spektakel hinzu.

Vielfältige Reaktionen an den Wahlkampfständen haben gezeigt, dass viele uns Wohlgesinnte, die uns zuvor gewählt hatten, diesmal taktisch die SPD wählen würden, um den Kasper Laschet zu verhindern. In den Monaten zuvor war es aber für das öffentliche und veröffentlichte Bild der NRW-LINKEN sicherlich wenig werbewirksam, dass es seit September 2020 immer wieder von Neuem zu harten Angriffen über die bürgerlichen und sozialen Medien auf den NRW-Landesverband kam.

Insbesondere die seit April 2021 extrem hart geführte Auseinandersetzung um Sahra Wagenknecht dürfte uns Stimmen gekostet haben – in beide Richtungen: Sowohl Menschen, die Wagenknecht schätzen, als auch ihre Kritiker:innen aus diversen Spektren wurden so aus unserem Wähler:innenspektrum davongetrieben. Obendrein hat uns diese Auseinandersetzung gerade in NRW viel Zeit und Kraft gekostet, die wir für die Intensivierung landesspezifischer Schwerpunkte im Wahlkampf weit besser hätten gebrauchen können.

Wenn wir in NRW wirklich ernsthaft daran arbeiten wollen, im kommenden Jahr in den Landtag einzuziehen, dann sollten wir die richtigen Lehren aus diesem Bundestagswahlkampf ziehen. „Es kann nicht so weitergehen“, kann dann für uns nur heißen, nicht die Differenzen zwischen Strömungen und den Kampf um die jeweiligen „einzig wahren“ Positionen in den Vordergrund zu stellen. Denn als Sozialist:innen adressieren wir mit unseren Forderungen nicht Personen, sondern die Verhältnisse, die dazu führen, dass Menschen in Armut leben, unsichere Lebensperspektiven haben und dass ökologische Katastrophen drohen. Deshalb lasst uns streiten über die Dynamik von Klassenverhältnissen in der sozial-ökologischen Transformation, wie sie uns nach der Wahl auch in NRW droht: Für GroKo, Ampel oder Schwampel lautet die Antwort auf die Frage „Wer zahlt für die Krise?“ doch ganz einfach: „Die, die schon immer gezahlt haben!“

Für uns muss die Frage aber lauten: Wie könnte eine sozial-ökologische Transformation von unten aussehen? Und vor allem: Mit wem wollen wir unsere Forderungen durchsetzen? Dabei ist der Verweis auf soziale Bewegungen, so notwendig sie auch sind, nicht ausreichend und ersetzt keine politische Strategie, deren Ziel der Wiedereinzug ins Landesparlament ist. Hierzu braucht es eine breitere gesellschaftliche Verankerung, insbesondere in den Gewerkschaften.

Wir haben die Chance, den Einzug in den Landtag NRW zu schaffen …

… und damit DIE LINKE auch bundesweit wieder stärker in der Gesellschaft zu verankern!

Zum einen, weil bis zur NRW-Landtagswahl erkennbar werden wird, welche Zumutungen ein Regierungsprogramm der neuen Koalition im Bund beinhalten wird, insbesondere für die Lohnabhängigen und die ohnehin sozial Ausgegrenzten. Bis dahin muss aber auch unsere Gründungs- und Kernkompetenz – die soziale Gerechtigkeit – wieder entschieden deutlicher sichtbar werden.

Zum zweiten, wenn es uns gelingt, ein stärkeres landespolitisches Profil zu entwickeln.

Und zum dritten, wenn wir endlich damit aufhören, uns permanent gegenseitig zu bekämpfen und zu blockieren, und es uns gelingt, den Pluralismus, die Vielfältigkeit unserer Partei endlich schöpferisch und werbewirksam nach außen wirksam werden zu lassen.