– Stellungnahme der SL-NRW –

Am 29.04.23 fand der erste vom im Herbst letzten Jahres gewählten Landesvorstand ausgerichtete Parteitag in Dortmund statt, der diesmal lediglich als Tagesveranstaltung durchgeführt wurde.  Zwei Tage vor dem 1. Mai eigentlich ein guter Zeitpunkt, um sich wieder auf die Kernthemen der Partei zu besinnen. Doch schon vor Beginn des Parteitags konnte man aufgrund eines äußerst schwachen „Leitantrages“ zum Thema Verkehrswende keine hohen Erwartungen haben. Auch der Landesvorsitzende wirkte nicht besonders euphorisch als er die Generaldebatte mit einer Art Forderungskatalog (man könnte es auch einen Wunschzettel nennen) für den Umbau der Verkehrspolitik einleitete. Inspirierter wirkte er hingegen im zweiten Teil der Rede, der sich vor allem aus der Verurteilung von Sahra Wagenknechts Verhalten speiste und dementsprechend leicht verdienten Applaus erntete. Ein Muster, das sich durch den Rest des Parteitags ziehen sollte.

In der Generaldebatte viele Fragen – wenig Antworten!

Die Generaldebatte wurde auffällig stark von denen genutzt, die unzufrieden mit dem neuen LAVO und dem aktuellen Kurs der Partei sind. Etliche Redner:innen   wiesen auf die zunehmend schlechter werdenden Wahlergebnisse insbesondere bei der eigentlichen Zielgruppe der Partei hin, den abhängig Beschäftigen und denen, die in wachsender Armut leben müsse. Die Problematik bestehe gerade darin, dass DIE LINKE in einer der schwersten Krisen der letzten Jahrzehnte schwach und richtungslos dastehe. Sie stellten außerdem heraus, dass der LAVO zwar besonders gut darin ist mit dem Finger auf Andere zu zeigen, aber die eigene Strategie jedoch nicht hinterfragt. Dafür werden Durchhalteparolen ausgeben und dann weitergemacht wie bisher.

Andere Delegierte schätzten die Lage allerdings anders ein, sahen beispielsweise keinen Gegensatz zwischen Identitäts- und Klassenpolitik und sprachen sich durchaus für das “weiter so” des LAVO aus. Die Aussage des verkehrspolitischen Sprechers des LAVOs Bernhard Koolen, „ja, wir müssen noch grüner werden als DIE GRÜNEN“, lässt jedoch deutlich werden, wohin die Reise gehen soll. Auch das Bekenntnis, in einer öko-sozialistischen Partei zu sein, bleibt ziemlich vage und der sozialistische Charakter so gut wie nicht erkennbar.

“Awareness” und Befindlichkeiten

Zum ersten Mal auf einem Landesparteitag war im Vorhinein ein Awareness Team bestimmt worden, an das sich Delegierte, die sich belästigt fühlten, wenden sollten. Außerdem bekamen alle Delegierte eine rote Karte mit der Aufschrift “SEXISTISCHE KACKSCHEISSE” in die Hand gedrückt, mit der sie in solchen Fällen auf sich aufmerksam machen sollten. Zum ersten Mal wurden diese benutzt als Michael Kretschmer von der Zählkommission eine “solidarische und früher hieß es bei mir brüderliche” Debatte wünschte. Weiter ging es in der Generaldebatte, wo diese Karten nie fehlen durften, sobald eine Frau kritisiert wurde. Als ein Delegierter die beiden Landesvorsitzenden polemisch als Schauspieler bezeichnete und ihnen symbolisch Oscars für ihre Show verlieh, wurde das Geschrei noch größer. Ein großer Teil des Parteitags, schien mit heftiger Kritik nicht gut umgehen zu können. Am Ende blieb wohl Sahra Wagenknecht die einzige Frau, die kritisiert wurden durfte, ohne das rote Kärtchen herumwedelten.

Leitantrag ohne Leitfunktion

Am Nachmittag ging es dann um den sogenannten Leitantrag Verkehrswende. Eine öffentliche Debatte über diesen wurde durch eine einstündige Gruppenarbeitsphase ersetzt. Dort wurde zwar nicht kritisiert, dieses Thema als Schwerpunkt zu setzten, jedoch benannten viele Delegierte die mangelnde Konkretion des Leitantrages hinsichtlich der Situation in NRW, auch fehlende sozialen Aspekte wurden bemerkt. Insbesondere die kommunal- und regionalpolitisch erfahrenen Genoss:innen wiesen darauf hin, dass es bereits seit längerem wesentlich konkrete Positionen in der LINKEN NRW gebe. Daran anschließend ging es direkt zur Einbringung des Antrages sowie den Änderungsanträgen dazu über.

Vor diesem Hintergrund forderte die SL, den Antrag bis zum nächsten Parteitag in Kooperation mit dem Kommunalpolitischen Forum zu überarbeiten.  Nur eine überraschend knappe Mehrheit lehnte diesen Änderungsantrag ab. Andere SL-Anträge, die z.B. von einer bedingungslosen Unterstützung der “Letzten Generation” abrücken wollten, konnten nicht behandelt werden, da der LAVO andere ÄA annahm und so die Satzstruktur änderte. Diesem Spektakel wurde der Hut aufgesetzt, als ein ÄA angenommen wurde, der zur Finanzierung der Verkehrswende, die (extrem kostspielige und nicht rentable) Enteignung von Verkehrsunternehmen forderte, zumal viele dieser Unternehmen bereits in öffentlicher Hand sind.

Ein kleiner Lichtblick war da nur der strömungsübergreifende Antrag zum Thema Friedenspolitik, der Aufweichungen in der Friedensfrage klar ablehnte. Auch entsprechende ÄA wurden mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Ein Ende von Peinlichkeit nicht zu überbieten

Nach Verabschiedung des Leitantrags wurde eine nicht in der Tagesordnung vorgesehene Rede eingeschoben. Die Rednerin, warf ihrem Ex-Freund, offensichtlich ein Mitglied des vorherigen Landesvorstandes, vor, sie gestalked zu haben. Dem neuen LAVO dankte sie für die Unterstützung. Dieser nahm es Dankbar an, im Namen des Antisexismus gefeiert zu werden, zumal mit der Inszenierung dieser Anklage eine Generalabrechnung mit dem kompletten vorherigen LAVO verbunden war, weil dieser sich vermeintlich nicht angemessen gegenüber der Genossin verhalten habe.

Die anschließende Antragsberatung kam dann durch die Intervention eines Delegierten ins Stocken. Er trat ans Mikro und  beantragte, über die Dringlichkeit eines “Dringlichkeitsantrag” abzustimmen. Inhalt des Antrags war eine Aufforderung an Sahra Wagenknecht und die anderen Bundestagsmitglieder der LINKEN aus NRW, sich klar zur Partei zu bekennen. Am Morgen war dieser Antrag von der Antragsberatungskommission einstimmig als nicht dringlich und demnach wegen der Fristversäumnis als satzungswidrig eingestuft worden. Dennoch wurde jetzt über seine Dringlichkeit abgestimmt, die, wenig überraschend, von der Mehrheit der Delegierten herbeiphantasiert wurde. Selbstverständlich wurde der Antrag danach angenommen. Das Tagungspräsidium ließ dies alles ohne Beanstandung zu, Einwände einer Genossin aus der Antragsberatungskommission wurden brüsk abgewiesen. Somit blieb keine Zeit blieb mehr für die anderen Anträge, die komplett an den LAVO überwiesen wurden. Darunter ausgerechnet auch der, der den LAVO für seine herabwürdigende Beurteilung von Genoss:innen, die an der Friedensdemonstration in Berlin teilgenommen haben, kritisiert.

Weiter in die Bedeutungslosigkeit

Dieser Parteitag zeigt, dass eine Mehrheit des Landesverbandes kein wirkliches Interesse an einer strategischen Diskussion über die zukünftige Richtung der Partei zu haben scheint. Dies ist zu respektieren, wird allerdings auch nicht zu einer Verbesserung der Lage führen. Auch die SL erkennt an, dass die Problemstellungen, die mit der sozial-ökologischen Transformation verbunden sind,  Schwerpunkt der Politik der LINKEN in NRW sein müssen. Der Streit ist jedoch darüber zu führen, was an unseren strategischen Positionen  sozialistisch sein muss, also dem Markenkern unserer Partei entspricht. Da reichen keine abstrakten, pseudoradikalen Forderungen, bei denen keiner benennen kann, wer oder wie sie umgesetzt werden sollen.  Auch das Führen eines Kulturkampfes um korrektes politischen Verhalten und Sprechen,  wie eine woke und diverse Linke sich das wünscht, ist dabei nur bedingt hilfreich. Bei aller Skepsis, vielleicht schafft es die LINKE in NRW ja doch noch die Debatte über ihre strategische Ausrichtung so zu führen, dass es möglich wird, GRÜN wieder ins ROT zu bringen, statt einfach nur grüner zu werden und das auch noch als strategische Anpassung an  neue Herausforderungen zu verkaufen.